Radreise Südtirol – Die letzte Reise zu zweit

Im Frühjahr 2021 planten wir unseren gemeinsamen Sommerurlaub. Noch bedingt durch die Corona-Reisebeschränkungen war die Reisevorbereitung diesmal intensiver als sonst. Welche Länder sind nicht mehr so stark von Corona betroffen? Wie sind die Einreisebedingungen? Wie wahrscheinlich ist ein weiterer Lockdown in unserer Zielregion? Eins war klar, wir wollten ins Warme, allerdings fehlte es uns dieses Mal an Ideen. Beim Überfliegen der Italien-Karte auf Google Maps stießen wir durch Zufall auf den Naturpark Rieserferner-Ahrn. Die Bilder im Internet sahen vielversprechend aus. Wunderschöne Gebirgszüge, tiefgrüne Wiesen und klare Bergseen so weit das Auge reicht. Dass die zurückzulegenden Höhenmeter uns so schnell an die körperlichen Grenzen bringen würden, war uns zu dem Zeitpunkt noch nicht klar – aber lest selbst. Radreise Südtirol

Inhalt

Anreise nach Bruneck in Südtirol

Mitte Juni ging es mit dem Zug von Berlin aus los. Die kurze Radfahrt zum Hauptbahnhof war entspannt, da wir bereits um halb fünf Uhr morgens den ICE in Richtung München nahmen. Wichtig, Fahrradtickets sollte man frühzeitig reservieren, da die Stellplätze im ICE sehr begrenzt und dadurch schnell ausgebucht sind. Allgemein ist die Kombination aus Radreise und Zugfahrt noch immer sehr nervenaufreibend. Zum einen gleicht es einem Glücksspiel bei der Buchung zwei der limitierten Fahrradplätze zu ergattern. Weiterhin ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen europäischen Bahngesellschaften nicht sehr nutzerfreundlich und insbesondere die Bereitstellung der Tickets war eine Katastrophe. Für die Hin- & Rückfahrt für 2 Personen mit 2 Drahteseln bekamen wir stolze 6 Tickets auf 3 unterschiedlichen Wegen. Ein Ticket konnten wir direkt herunterladen, eins wurde uns per Post geschickt und die 4! Fahrradtickets mussten wir mit unserer Kreditkarte am Ticketautomaten der Bahn ausdrucken – Digitalisierung fehlgeschlagen. Sitzt man erstmal auf seinem Platz, ist Zugfahren aber doch sehr angenehm und so kamen wir nach ca. 4 Stunden in München an.

Mit der ÖBB ging es von München weiter über Kufstein in Österreich bis nach Franzensfeste in Südtirol. Dort wechselten wir für weitere 20 Minuten in eine der sehr fahrradfreundlichen italienischen Regionalbahnen und erreichten nach insgesamt 9 Stunden Fahrt unsere Endstation am Bahnhof in Bruneck. Bruneck ist mit ca. 16.700 Einwohnern die fünftgrößte Stadt Südtirols und der Hauptort des Pustertal. Sie hat uns mit ihrem modernen Flair, gleichwohl der urtypischen Südtiroler Architektur sofort verzaubert. Die unzähligen kleinen Cafés und Vinotheken in der Stadtgasse, der Hauptflaniermeile der Altstadt, laden zum Verweilen und Genießen ein. So ging es für uns erst nach einer ausgiebigen Mittagspause* auf unsere erste Radetappe.

*Notiz an uns: Sorge auf einer 9-stündigen Zugfahrt mit Rad unbedingt für ausreichend Proviant. Durch diverse Verspätungen fielen die Zwischenstopps kürzer aus als ursprünglich geplant und so mussten wir unser bayrisches Frühstück gegen einen kleinen Sprint am Münchener Bahnhof eintauschen.

Etappe 1: Von Bruneck hoch ins Reintal, 26 km & 720 hm

Mittag im Café Pinta Pichl
Mittag im Café Pinta Pichl
Auf wunderbar ausgebauten Radwegen verließen wir Bruneck in Richtung Norden. Auf den ersten 15 km, immer entlang der Ahr, passierten wir idyllische Dörfer bis nach Sand in Taufers, wo wir uns mit Lebensmitteln für den ersten Abend eindeckten. Ab dort wurde die Strecke für uns zur echten Herausforderung. Einen Radweg gab es nun nicht mehr. Da das Reintal ein Sackgassen-Tal ist, hält sich der Verkehr aber in Grenzen. Größere Probleme als der Verkehr machte uns somit der Anstieg. Die nächsten 8 km ging es bei Steigungen zwischen 7 und 18 % kontinuierlich bergauf. Zugegeben, einen Teil der Strecke mussten wir schieben. Die Mischung aus 02:30 Uhr aufstehen, 9 Stunden Zugfahrt und dem zusätzlichen Gewicht unseres Abendessens trug vermutlich nicht zu unserer Motivation bei.
Radweg von Bruneck nach Sand im Taufers
Radweg von Bruneck nach Sand im Taufers
Die letzten 5 km bis nach Rein sind dann wieder etwas entspannter. Bei moderaten maximal 3 % Steigung fährt man in ein wunderschönes Hochtal ein und beim Anblick dieses gewaltigen Gebirgskessels stellt sich endlich ein Urlaubsgefühl ein. Auf 1.600 m gelegen, ist Rein in Taufers mit seinen rund 340 Einwohnern ein eher beschauliches Dorf. Es bietet jedoch neben etlichen Ferienwohnungen und -häusern eine Handvoll Hotels, die Pizzeria Garni Florian (sehr zu empfehlen) und einen kleinen, gut sortierten Dorfladen neben der Kirche. Gut in unserer Ferienwohnung angekommen, konnten wir den doch sehr anstrengenden Tag ausklingen lassen und die Dreitausender der um uns liegenden Riesenfernergruppe bestaunen. Optimistisch wie wir sind, hatten wir uns im Vorfeld auch vorgenommen einen dieser Gipfel zu erklimmen. Warum das nicht geklappt hat, liest du weiter unten.

Wir können auch Wandern! Oder doch nicht?

Den zweiten Tag unserer Reise gönnten wir uns eine sportliche Auszeit und erkundeten die Region mit dem Bus. Obwohl noch nicht viele Touristen den Weg nach Rein gefunden hatten, fuhren regelmäßig Linienbusse nach Sand, Bruneck und ins Ahrntal. Wir entschieden uns nach Bruneck zu fahren und die Stadt zu erkunden. Neben der schönen Stadtgasse bietet sich ein Ausflug zum Schlossberg und dem sich dort befindenden Messner Mountain Museum Ripa an. 

An Tag drei schlüpften wir statt wie üblich in die Radklamotten in unser Wanderoutfit*, um uns auf den Weg zur Dreieckspitze zu machen. Die Dreieckspitze, oder italienisch Triangolo di Riva, ist der nördlichste 3.000er der Riesenfernergruppe und liegt an der Grenze zwischen Österreich und Italien. Es ist möglich, die Dreieckspitze sowohl von Süd- als auch von Osttirol zu erreichen, der kürzere Aufstieg startet jedoch in Südtirol. Von Rein aus verläuft der gängigste Aufstieg über die untere und obere Kofler Alm, zu den Kofler Seen und dann über die Bärenlügscharte zur Dreieckspitze. Wir entschieden uns für die Alternative über das unterste Knuttental und hoch zur Sossenhütte um von dort zur Bärenlügscharte zu kommen. Ein Fehler, wie sich später rausstellte.

*Notiz an uns: Ja, richtig gelesen; Wanderoutfit. Warum wir auf dieser Reise an unsere körperlichen Grenzen stießen, war sicherlich auch darin begründet, dass unser Radreise-Setup neben unserer Wanderausrüstung inklusive Wanderstiefeln auch ein stadtfeines Outfit umfasste. Dass wir aus der Erfahrung gelernt haben und was wir heute mitnehmen, lest ihr hier.

Das Wetter war toll, die Weiden grün und die Sicht klar. So kamen wir die ersten 6 km bis zur Sossenhütte auf 2.189 hm trotz des teilweise steilen Anstiegs gut voran. Immer der Beschilderung folgend und nach den typischen Rot-Weißen-Markierungen Ausschau haltend, stiefelten wir weiter Richtung Bärenlügscharte. Langsam wurde es kühler und immer mehr Schneefelder versperrten uns die Sicht auf den ausgetretenen Pfad. Denn auf 2.600 Meter liegt im Juni und vor allem auf der Nordseite eines Bergs noch Schnee. Vorsichtig bahnten wir uns den Weg über den schmelzenden Schnee und konnten teilweise sogar das Geräusch fließenden Wassers unter unseren Füßen hören. Nach weiteren 3 km, die wir vorsichtig durch die Schneefelder schlichen, war dann kein Weiterkommen mehr. Der Weg war nicht mehr ersichtlich und die Bärenlügscharte versteckte sich nun hinter einer Felsformation. Wir kehrten um und gingen denselben Weg zurück*, welchen wir auch gekommen waren – das mögen wir in den meisten Fällen gar nicht. Um doch noch etwas Gefallen an der Situation zu finden, ließen wir uns eine kleine Schneeballschlacht im Juni nicht nehmen. Das Wetter hielt zum Glück, bis wir wieder in Rein ankamen. Mit einer Menge Eindrücke im Gepäck ließen wir den Abend beim beruhigendem Rauschen der Bäche voller Schmelzwasser ausklingen.

 

*Notiz an uns: Jeder von euch, der selbst viel in der Natur unterwegs ist, weiß genau, dass sich die Entscheidung hier einfacher niederschreibt als sie tatsächlich war. Der Outdoor-Sport bringt neben unendlichen Glücksgefühlen immer ein gewisses Risiko mit sich. In diesem Fall machten wir mehrere Pausen, gingen mehrere Szenarien durch und probierten unterschiedliche Trampelpfade aus, bevor wir für uns entschieden, dass das Risiko für uns hier überwiegt. Wir standen auf etwa 2.600 m, mit steinernem Geröll unter den Füßen und einem riesigen Schneefeld vor uns. Es zogen einige Wolken auf und es ging bereits auf 14 Uhr zu. Zu allem Überfluss kreiste über uns ein Aasgeier! Wer in den Bergen und auf unbekannten Terrain unterwegs ist, muss sich immer bewusst sein, dass das Wetter schnell umschlagen kann, die Tiefe und die Standfestigkeit von (schmelzenden) Schneefeldern schwer einzuschätzen und die Netzabdeckung nicht immer gewährleistet ist. Für das eigene Ego ist die Entscheidung für einen Rückzug nicht immer leicht, aber man sollte versuchen, Gefahren möglichst objektiv zu bewerten.

Kurz vor dem Übergang zur Bärenlügscharte
Neben ausgezeichneten Wanderwegen und tollen Fahrradstrecken hat die Region außerdem für Wintersportenthusiasten ihren Reiz. Einige Einwohner erzählten uns von ausgedehnten Schneeschuhtouren über die Bärenlügscharte oder tollen Ausflügen im Tal auf den Langlaufskiern. In Rein selbst befindet sich darüber hinaus ein kleiner Skilift, welcher insbesondere für Familien mit Kindern vollkommen ausreichend ist. Wer längere Abfahrten bevorzugt, macht sich mit dem Bus auf zum 2.275 Meter hohen Kronplatz südlich von Bruneck. Doch von Schnee hatten wir nach unserer Wanderung erst einmal genug. So entschieden wir uns, das Bergpanorama noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Der Kronplatz sollte der Ausgangspunkt für unser nächstes sportliches Abenteuer werden. Denn hier befindet sich nicht nur ein weiteres Museum des bekannten Bergsteigers Reinhold Messner, das Messner Mountain Museum Corones, sondern auch der Startpunkt für ein weiteres großartiges Berg-Erlebnis; wer sich traut, kann mit dem Team von Tandemflights Kronplatz einen Gleitschirmflug buchen. Der Flug dauert ca. 20 Minuten und startet je nach Windverhältnissen in eine andere Richtung. Die Veranstalter sind locker drauf, die Organisation ist super und neben den eigenen Aufnahmen bekommt man direkt nach dem Flug alle Aufnahmen, die die Jungs gemacht haben auf sein Handy übertragen. Die Zeit vergeht dabei buchstäblich wie im Flug und die Aussicht ist einfach atemberaubend.

Alles in allem hat uns die Region um Bruneck sehr gut gefallen. Wir haben uns in die Berge, die Natur und die Gastfreundschaft der Südtiroler verliebt und besuchen den Naturpark Riesenferner-Ahrn sicher bald wieder. Nun hieß es aber Sachen packen, Drahtesel satteln und auf in die zweite Radetappe:

Etappe 2: Vom Reintal nach Sterzing

Rein - Sterzing Amanda
Ein Sackgassen-Tal hat die Eigenschaft, dass es nur einen Weg rein wie raus gibt. So freuten wir uns heute über die 7–18 % Gefälle und eine schnelle Abfahrt nach Sand in Taufers. Wir ließen Bruneck im wahrsten Sinne links liegen und fuhren entlang des Flusses Rienz bis nach Mühlbach, ein Ort dessen italienischer Name Rio di Pusteria doch etwas schöner klingt. Neue Richtung – neuer Fluss, folgten wir dem Isarco, dem zweitlängsten Fluss Südtirols bis zu unserem Tagesziel der Stadt Sterzing. Auf dem wieder sehr gut ausgebauten Radweg kamen wir an etlichen Burgen und Festungen entlang, wie die Festung Franzensfeste und die Mühlbacher Klause. Auch an diesem Dienstag konnten wir uns über die Gastfreundschaft der Südtiroler nur freuen. Zur Mittagszeit liefen wir schon ziemlich auf dem Zahnfleisch und weit und breit nur die Pizzeria Petra in San Sigismondo in Sicht! Eigentlich nur für Arbeiter einer Baustelle geöffnet, hatte il capo sichtlich Mitleid mit uns und bereitete uns trotz Küchenschlusses höchstpersönlich einen Pasta-Teller zu – die besten Pasta, die wir je gegessen hatten!
Blick vom Zwölferturm auf die Città Nuova
Trotz annähernd 30 °C und gesamt knapp 900 gefahrenen Höhenmetern, war diese Etappe, dank des großartigen Radwegnetzes und einer gelegentlichen Abkühlung durch die Weidenbewässerung ein tolles Erlebnis. Nach 83 km in Sterzing angekommen freuten wir uns auf eine Dusche, etwas Gutes zu Essen und zwei Aperol Spritz. Sterzing, die nördlichste Stadt Italiens, besticht mit ihren prachtvollen Bürgerhäusern und einem tollen Bergpanorama. Die Einkaufstraße am Zwölferturm in der Città Nuova (Neustadt) lädt mit kleinen Cafés und Restaurants mit typisch italienischen Flair zum Verweilen ein. Zahlreiche Hotels und Ferienwohnungen bieten ausreichend Optionen bei der Auswahl der Unterkunft. Unser Hotel befand sich direkt auf der belebten Flaniermeile. Auf Radfahrer eingestellt, fanden unsere Fahrräder in der Dependance einen sicheren Platz. Der Fahrradraum war vor allem mit hochpreisigen E-Bikes beinahe vollgestopft.* Da wirken unsere zierlichen Rahmen samt Packtaschen schon fast platzsparend. Bevor es an diesem Tag pünktlich ins Bett ging, da am nächsten Tag die härteste Etappe der Reise anstand, gönnten wir uns noch eine faustgroße Kugel Eis bei der Jogurteria & Gelateria Il Ghiottone. 

*Notiz an uns: Einen Puffer bei der Routenplanung einzubauen, ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll. Ob es nun an den Tourenvorschlägen von Komoot oder unserer Routenplanung lag; diese Tagesetappe sollte uns ursprünglich in 75 km über 600 hm ans Ziel bringen. Die zusätzlichen Höhenmeter und Kilometer waren zwar machbar, doch so kamen wir erst um 19:00 Uhr in Sterzing an. Grundsätzlich kein Problem, wenn man in einer fest gebuchten Unterkunft übernachtet. Doch diese späte Ankunft stellte uns gleich vor zwei Herausforderungen: Zum einen war das Platzangebot des Fahrradraums bereits mit unzähligen klobigen E-Bikes ausgereizt, was uns an diesem Abend noch zu Tetris-Meistern machte. Zum anderen – und das war für uns das viel größere Problem – war es unheimlich schwierig um 20:30 Uhr ein Restaurant zu finden, welches einen Tisch für zwei frei und dessen Küche noch geöffnet hatte. Denn es scheint, die Südtiroler steigen ab etwa 20:00 Uhr grundsätzlich auf Flüssignahrung in Form von Aperol Spritz & Co. um. Einziger Vorteil unseres antizyklischen Rhythmus war, dass wir am nächsten Morgen fast die letzten waren, die den nun nahezu leeren Fahrradraum verließen.

Etappe 3: Von Sterzing zum Pfitscherjoch Haus, 31 km & 1.300 hm

Für die Überquerung der Grenze nach Österreich hatten wir uns eine besondere Route ausgesucht. Wir verließen Sterzing in Richtung Nordosten auf ausgebauten Radwegen. Diese blieben uns jedoch nicht lang vergönnt und so fuhren wir hinter der Siedlung Wiesen auf der Landesstraße SP508 in das Pfitschtal ein. Wieder einmal lernten wir den für Radfahrer großen Vorteil eines Sackgassen-Tals lieben; wenig bis kein Verkehr. So kamen wir über leere Straßen zu kleinen Bergdörfern und hatten nach gut 10 km schon 500 hm hinter uns gelassen. Die nächsten 10 km erwartete uns ein moderater Anstieg, sodass wir gut vorankamen. Das schwerste Stück der Tour lag allerdings noch vor uns – die Auffahrt zum Pfitscher Joch.

Bei Kilometer Zweiundzwanzig endet der Asphalt an der Kirche Chiesetta fraz. Sasso und wird zu einer schottrigen Forststraße, welche sich in Serpentinen hoch Richtung Schutzhütte schlängelt. Der lose Untergrund sowie die teils 15 % Steigung, machten uns das Leben schwer. Ist dieser Weg mehr Wanderroute als Radstrecke, mussten wir wieder einige Passagen schieben. Zehn Kilometer zieht der Schotter eine Schlangenlinie in das Gebirge und ließ uns weitere 700 hm aufsteigen. Wie auch auf der Wandertour zur Dreieckspitze begrüßte uns ab ca. 2.000 m über dem Meeresspiegel bei strahlendem Sonnenschein* der Schnee. Die Temperatur sank und unsere Kondition wurde stark auf die Probe gestellt. Nach fünfeinhalb Stunden Fahrzeit erreichten wir gegen 16:00 Uhr endlich unser Etappenziel und Unterkunft für diesen Tag – das Pfitscherjoch Haus auf 2.276 m.

PS: Danke Amanda, dass du jeden Sch… mitmachst 😉

*Notiz an uns: Die Sonne in den Bergen niemals unterschätzen! Bene hat noch heute – zwei Jahre später – den Abdruck seiner Bib auf dem Rücken. 

Radreise Südtirol

Das Pfitscherjoch Haus ist nach eigenen Angaben die seit 1888 älteste private Schutzhütte Südtirols. Sie liegt unmittelbar an der Grenze zwischen Österreich und Italien in den Zillertaler Alpen und ist Ausgangspunkt für mehrere 3000er-Gipfeltouren. Von unserem Zimmer aus hatten wir einen fantastischen Blick auf einen dieser Gipfel, die Hohe Wand mit 3.289 m. Da das Pfitscherjoch Haus erst im Juni öffnet, waren noch nicht allzu viele Wanderer unterwegs. Wir empfehlen trotzdem im Voraus ein Zimmer zu reservieren, um nach den Strapazen des Anstiegs nicht vor einer ausgebuchten Unterkunft zu stehen. Hat man einen Schlafplatz ergattert, erfreut man sich am typischen Hütteninterieur, deftiger Hausmannskost und wer mag an einem Saunagang auf fast 2.300 m. Wir verzichteten auf die Sauna und machten uns lieber gleich daran, unsere Kohlenhydrat-Speicher wieder zu füllen, da uns die „Abfahrt“ am nächsten Tag nochmal fordern sollte.

Pfitscherjoch Haus

Etappe 4: „Abfahrt“ vom Pfitscherjoch Haus

Nach einer wirklich erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück begrüßte uns strahlender Sonnenschein und wir starteten unsere „Abfahrt“ vom Pfitscherjoch Haus. Doch wie wir schnell lernten, ist „Abfahrt“ nicht gleich „Abfahrt“. In der Routenplanung erschien uns die Strecke recht simpel; viel Schotterpiste, hin und wieder Abschnitte, die mit großen flachen Natursteinplatten gepflastert sind und ein paar Trampelpfade unterbrochen von einigen kleinen Holzbrücken. Doch die Schotterpiste glich einer Kraterlandschaft, die Natursteinplatten waren in Treppenformation angeordnet und die Trampelpfade teilweise schmal wie Radrinnen. Mit Mountainbikes womöglich eine tolle Strecke, doch mit zwei voll beladenen Gravelbikes eher eine Tortur. Rückblickend waren wir heilfroh, dass wir uns für die Fahrt von Italien nach Österreich entschieden hatten. Hätten wir diese Strecke bergauf gemusst, hätten wir sicherlich 80 % dieser Etappe schieben müssen.

Immerhin – während wir die Strecke nun so runter rumpelten, unterzogen wir unsere Beinmuskulatur, unsere Fahrradrahmen und die Aufhängung unserer Vaude Gepäcktaschen einem echten Stresstest. Abschließend können wir sagen, dass die Rahmen und die Vaude Gepäcktaschen als eindeutige Testsieger aus dieser Runde hervorgingen.

Gegen 11:30 Uhr waren wir mit Benes Papa, der ebenfalls gerade in Österreich Urlaub machte, am Schlegeisspeicher, ein künstlich angelegter Hochgebirgsstausee, verabredet. Nach einem kühlen Bier verstauten wir unsere Räder in seinem Caddy und kramten einmal mehr unsere Wanderstiefel aus den Taschen. Wir hatten uns vorgenommen, an diesem Tag zur Olpererhütte auf 2.389 hm zu wandern. Nachdem wir uns mit den Massen an Touris den schmalen Wanderweg vom Parkplatz hoch bis zur Hütte geschoben hatten, genossen wir bei deftigem Essen eine wunderschöne Aussicht auf den strahlenden türkisblauen Hochgebirgsstausee inmitten der Zillertaler Alpen.

Etappe 5: Von Ried im Zillertal nach Jenbach Bahnhof

Ried nach Jenbach2

Den letzten Tag in Österreich gingen wir entspannt an. Den Abend zuvor hatten wir noch stundenlang bei kühlem Bier auf der Terrasse der Ferienwohnung gesessen. In der Dämmerung hatten wir die Junikäfer bei ihrem Balzverhalten beobachtet. Funfact: Sobald die Käfer ihren Liebesakt in der Luft vollzogen haben, stirbt das Männchen (vor Verausgabung?) und fällt an Ort und Stelle zu Boden. Somit sitzt man während der Dämmerung in einem Haufen schwirrender und regnender dicker Junikäfer. Wenn man es mit Humor sehen kann, ist es ein echtes Naturschauspiel. Doch jeden Abend hätten wir darüber wahrscheinlich nicht lachen können. 

Als die Nacht dann einzog, verzogen sich auch endlich die Käfer und Ruhe kehrte ein. Als Zeit-Berliner sind immer wieder begeistert, von der Stille, der Dunkelheit und der Vielzahl der Sterne am Himmelszelt. So verbrachten wir den Abend damit, vom Tal aus die wenigen Autolichter am Berg gegenüber zu beobachten, die sich in Serpentinen zu den vereinzelten Häusern und Hotels hochschoben.

Am nächsten Morgen starteten wir nach einem gemütlichen Frühstück und einem letzten Spaziergang durch das Dorf – vorbei am Kaltenbacher Klettergarten und am Kaltenbacher Wasserfall – auf unsere letzte Radetappe. Insgesamt gingen wir den Tag sehr entspannt an. Unser Zug fuhr erst um 16:00 Uhr vom Bahnhof Jenbach ab und so blieb noch Zeit, um auf dem Weg bei der Zillertaler Heumilch Sennerei anzuhalten und sich mit Souvenirs und Käse einzudecken. 

Ansonsten rollten sich die Kilometer leicht weg. Wir blieben zwischen den Gebirgszügen im Tal und hatten somit wenige Höhenmeter zu bewältigen. Auf den aalglatt asphaltierten Radwegen flogen wir auf unseren Drahteseln an der Ziller vorbei. Links und rechts von uns saftiggrüne Kuhwiesen und beeindruckende Felswände. Es war einfach eine Strecke zum Genießen. 

Insgeheim dachte ich (Amanda) mir schon, dass bei diesem tollen Abschluss unserer Reise nichts meine Stimmung trüben könnte. Doch dann passierte mir etwas, was mir zuvor noch nie passiert ist: Mit echtem Glücksgefühl im Bauch, lauschte ich dem leisen Rollgeräusch meiner Reifen auf dem glatten Asphaltweg und genoss, dass ich mich trotz des Gepäcks federleicht fühlte. Plötzlich hörte ich ein Rascheln links vor mir und sah etwas Dunkles aus dem kniehohen Gras schießen. Dann ein Quieken direkt unter mir, gefolgt von einem schreienden Schatten rechts hinter mir, der auf der anderen Wegseite im Gras verschwand. – Ich hatte ein Frettchen überfahren!!! Gleich zweimal! Einmal mit dem Vorderrad und einmal mit dem Hinterrad! Das war’s mit meinen Glücksgefühlen. Bene, der hinter mir gefahren war, versicherte mir zwar, dass das Frettchen auf jeden Fall überlebt hatte* und sich im schlimmsten Fall etwas gerädert fühlen würde (haha!), aber das schlechte Gewissen plagt mich noch heute.

*Notiz an uns: Flunkern ist in Ausnahmesituationen zum Erhalt der allgemeinen Stimmung erlaubt. Zum Beispiel, wenn euer Partner ein Frettchen überfährt oder wenn ihr unterwegs merkt, dass die Routenberechnung vom Abend vorher wohl nicht mehr aufgehen kann. 

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